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Hannes Reichert

Ein Promovierender am Forschungsfahrzeug der TH Aschaffenburg

Interview mit Hannes: "Eine Promotion ist eine Karriereentscheidung"

Du hast bereits deinen Bachelor und deinen Master an der TH AB absolviert – jetzt führst du deine Kooperative Promotion hier durch. Was schätzt du an der Hochschule?

An der TH Aschaffenburg schätze ich vor allem zwei Dinge. Zum einen komme ich aus der Region und konnte während meiner Studienzeit in der Nähe meiner Familie und Freunde bleiben. Zum anderen bietet die Hochschule eine sehr angenehme Atmosphäre und gute Strukturen. Das habe ich bereits während meiner Studienzeit geschätzt. Und auch jetzt als Mitarbeiter der TH AB fühle ich mich dort immer gut aufgehoben und unterstützt.

Du hast dich schon in deiner Studienzeit mit dem Themenbereich "Schutz von ungeschützten Verkehrsteilnehmern" beschäftigt. Wie bist du darauf gekommen?

Ich habe mich sehr früh für die Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz interessiert. Zum damaligen Zeitpunkt war das Labor für kooperative automatisierte Verkehrssysteme von Herr Prof. Doll, in welchem ich promoviere, das einzige Labor, das sich intensiv mit KI befasste. Mit dem Schutz von ungeschützten Verkehrsteilnehmern wurde damals von Prof. Doll eine sinnvolle Anwendung für diese Technologien gefunden. Und so beschäftigte ich mich mit dem Themengebiet erst in einer Studienarbeit, dann in meiner Bachelor- sowie Masterarbeit. Schlussendlich dreht sich auch meine Promotion um den Einsatz von KI zur Sicherheitssteigerung von Verkehrsteilnehmern. Das Thema wurde mit der Zeit zu meiner Passion und wird mich noch ein paar Jahre begleiten.
Ich freue mich, dass sich die TH AB im Bereich KI stark entwickelt und das Angebot sich stetig erweitert – auch dank des Kompetenzzentrums KI. Die Technologie wird an der TH in vielen weiteren Bereichen eingesetzt.

Dein Promotionsthema dreht sich um Perzeptionssysteme zum Schutz von Fußgängern und Radfahrern. Welches Ziel verfolgst du mit deiner Forschung?

Das übergeordnete Ziel meiner Forschung ist die “Vision Zero”, eine deutschlandweite Agenda mit dem Ziel, Verkehrstote zu vermeiden. Zero steht für null Verkehrstote. Dementsprechend ist das ein sehr ambitioniertes Ziel und ein großes Forschungsgebiet. Und das nicht nur bei uns, sondern Deutschland- und sogar weltweit. Hierzu möchte ich mit meiner Forschung einen Teil beitragen, indem ich Konzepte und Methoden für solche Perzeptionssysteme zum Schutz ungeschützter Verkehrsteilnehmer entwickle und publiziere, welche dann ggf. den Weg in Fahrassistenzsysteme finden.

Wie läuft deine Forschung ab?

Um die benötigten Algorithmen für die Perzeptionssysteme zu entwickeln, benötigt man Daten. Daher führe ich mich dem Forschungsfahrzeug der Hochschule entsprechende Versuche durch. Somit fließt ein Teil meiner Zeit in die Datenerhebung, also in das Sammeln und Aufbereiten von Daten aus dem Straßenverkehr. Ausgehend von diesen Daten entwickle ich zusammen mit meinen Kollegen Konzepte und Modelle. Dabei bringe ich eigene Ideen ein, aber übertrage auch Konzepte aus anderen Gebieten, wie z.B. der Medizintechnik.

An meiner Promotion gefallen mir zwei Dinge besonders: Der hohe Anspruch und die Freiheit.

Hannes Reichert, promoviert im Labor für kooperative automatisierte Verkehrssysteme

Wie ist deine kooperative Promotion zustande gekommen?

Nach meiner Masterarbeit kam Herr Prof. Doll auf mich zu und fragte, ob ich gerne promovieren würde – da habe ich sofort zugesagt. In unserem Labor gab es bereits kooperative Promotionen – zusammen mit der Universität Kassel. Daher waren die Strukturen verfügbar und der Kontakt war bereits gegeben.

Was gefällt dir besonders an deiner Promotion?

Eine Promotion hat Höhen und Tiefen. Mir gefällt besonders der Anspruch und die Freiheit. Während meiner Forschung habe ich so gut wie keine Vorgaben und kann daher ziemlich frei meine Ideen einbringen und umsetzen. Das ist natürlich ein Vorteil, kann aber auch ein Nachteil sein, wenn man nicht gesagt bekommt „Du läufst gerade in eine Sackgasse.“ Allerdings entwickelt man sich dadurch weiter und das gefällt mir am besten.

Wie unterscheidet sich die Promotion zum Bachelor- als auch zum Masterstudium?

Zum Bachelorstudium gibt es einen deutlichen Unterschied: es gibt keine Vorlesungen mehr. Alles Wissen, das benötigt wird, um bestehende Probleme zu überwinden, eignet man sich selbst an. Generell arbeitet man selbstständiger. Den Projektmaster an der TH würde ich als “Promotion light” bezeichnen. Auch hier beschäftigt man sich über einen längeren Zeitraum mit einem fordernden Forschungsthema und erarbeitet sich selbstständig Wissen.

Wie unterstützt dich die TH Aschaffenburg?

Von der Hochschule bekomme ich eine exzellente Unterstützung. Z. B. über die Bibliothek, die mir den Zugriff auf Fachveröffentlichungen ermöglicht. Oder durch den Personalstab der Hochschule, der mir Antworten auf Fragen gibt, die meine Expertise übersteigen – z.B. bei rechtlichen Angelegenheiten. Hierfür möchte ich mich bedanken. Und von meinen Doktorvätern bekomme ich immer Unterstützung und Beratung, falls ich diese benötige. Daher möchte ich mich auch bei Prof. Doll und Prof. Sick für die Betreuung bedanken und bei meinen Kollegen für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. Falls Probleme auftreten, hilft man sich gegenseitig. Das funktioniert sehr gut.

Würdest du nach deiner Promotion lieber in der Forschung oder Industrie arbeiten?

Da ist noch keine finale Entscheidung gefallen, das wechselt ständig. Aktuell tendiere ich zur Industrie, gerade weil die Weichen hierfür gestellt werden – auch durch das Forschungsprojekt KI Data Tooling, in dem ich tätig bin. Jedoch bieten beide Bereiche viel Potenzial und ich habe noch etwas Zeit, um mich festzulegen.

Bitte gib Studierenden einen Rat, die promovieren wollen.

Sprecht mit Leuten, die bereits promoviert und einige Jahre danach in der Industrie oder der Forschung gearbeitet haben. Wenn man sich vorher Erfahrungsberichte einholt, ist man besser informiert und man kann besser einschätzen, was auf einen zukommt. Eine Promotion ist eine Karriereentscheidung. Sie kostet Zeit und Aufopferung – bietet aber im Gegenzug auch viel.